Vom Setzling zum Baum

Geschrieben am von Andrea

Die Firmengeschichte der Natursafterei Voelkel

Aus der Jubiläumsausgabe der »Flaschenpost« 2016

Als das Wünschen noch geholfen hat und lange bevor die Begriffe Bio und Nachhaltigkeit erfunden waren, folgten zwei Menschen ihrer Sehnsucht nach einem einfachen Leben im Einklang mit dem Kosmos. Margret und Karl Voelkel zogen gemeinsam ins schöne Wendland, von einem „Fußfassen in unberührter Natur“, einem Leben in Freiheit träumten beide, gesellschaftliche Erneuerung nach der Katastrophe des ersten Weltkriegs wollten sie leben. Ursprünglich inspiriert von der Wandervogel-Bewegung mit ihren Idealen von Natürlichkeit und Verantwortung kamen später die Impulse der Anthroposophie mit ihrer spirituellen Lehre von Freiheit des Einzelnen und Verbundenheit mit dem Ganzen hinzu.

Aber der Alltag auf dem Höhbeck abseits der Elbauen zeigte sich alles andere als romantisch, nämlich als
härtester Überlebenskampf mit Früchteanbau auf kargem Grund und dem Verkauf von Milch und Eiern auf die man selbst wegen des nötigen Geldes verzichtete. Immer wieder drohte das einfache Leben in einer selbst gebauten Hütte aus Holz, Lehm und Schilf zu scheitern. Als schönste Frucht dieser schweren Anfangsjahre indessen gediehen dem Paar vier Kinder.

Die Lage der kleinen Familie begann sich zu bessern, als die Voelkels auf die Idee kamen, das Fallobst der
Streuobstwiesen zu verarbeiten. Bald darauf zog Karl mit einem mobilen „Mostmax“ durch die umliegenden Ortschaften und presste Saft aus dem Obst der Bauern. Die anfängliche Gelegenheitsarbeit entwickelte sich zur Hauptsache: Am heimischen Brunnen der Voelkels wurden die Äpfel gewaschen und gepresst, der Saft auf dem Herd pasteurisiert und am Küchentisch klebte Margret die Etiketten auf die Flaschen.

Im Jahr 1936 zog der kleine Familienbetrieb in eine leerstehende Molkerei in Pevestorf und begann, in größeren Mengen Obst auch aus weiter entfernten Gebieten zu verarbeiten – die Geburtsstunde der professionellen Mosterei für Voelkel-Säfte!

In den Erinnerungen der Gründer tritt aber auch weiterhin das Ringen mit widrigen Umständen hervor: Die eigenen Kinder mussten von klein auf mithelfen, im Weltkrieg starben zwei Söhne und zugeteilte Kriegsgefangene kamen auf das Gelände. Der Betrieb konnte zwar durch den Krieg hindurch aufrechterhalten werden, aber die letzten Kriegswochen brachten die Zerstörung der Produktionsanlagen durch Amerikaner und Russen.

Die Elbe bildete künftig die deutsch-deutsche Grenze – am gegenüberliegenden Ufer lag der nun für viele
Jahre unerreichbare, andere Teil Deutschlands. Im Westen ging es bald wieder aufwärts und auch die
„Süßmostkelterei Karl Voelkel“ erlebte ihr kleines Wirtschaftswunder. Der einzige überlebende Sohn
Harm trat in die Fußstapfen des Vaters. Ein richtiger LKW von Opel wurde angeschafft, der ganze Stolz der Firma! Voelkel-Säfte wurden jetzt auch überregional bekannt.

Bedingt durch die Erkrankung des Vaters Harm Voelkel wird in den 80er Jahren sein Sohn Stefan im jungen Alter von nur 22 Jahren Geschäftsführer des Betriebs. Mit ihm ist Voelkel bereits in der dritten Generation Familienunternehmen. Der junge Firmenchef verbindet die Tradition mit der Lust zum Ausprobieren von Neuem: durch ausgefallene Produktideen wie Cocktails und die Bio-Zisch-Reihe ebenso wie durch unternehmerischen Weitblick und Mut zu Investitionen stellt Stefan Voelkel die richtigen Weichen.

Im Zuge des Bio-Booms zu Beginn des 21. Jahrhunderts gelangt die Marke Voelkel endgültig zum Durchbruch und wird zum Marktführer bei Bio-Säften. Inzwischen verbindet den immer noch verträumten Ort an der Elbe ein Netz mit zahlreichen weltweiten Handelspartnern und sozial-ökologischen Projekten. Auch die Beziehung mit regionalen Zulieferern spielt weiterhin eine besondere Rolle.

Die Wandervögel und Gründer Margret und Karl würden sich wundern, wenn sie heute das große Werk
in Pevestorf sehen könnten: Aus der kleinen Apfelmosterei ist ein vielgliedriger Komplex geworden, der
heute rund 200 Mitarbeitende beschäftigt – darunter auch die vier Söhne des jetzigen Firmenchefs, die von
der Lust am Saft gepackt wurden. Familientradition ist also unverändert eine Konstante der Firmengeschichte – und der unverfälschte Geschmack der Voelkel-Säfte ebenfalls.

Aus dem zarten Setzling ist in 80 Jahren ein stolzer Baum geworden, der jedes Jahr von neuem
Blüten und Früchte trägt.

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